In der Serie “Menschen&Macher» äussern Fachleute aus der Schweiz ihre ganz persönliche Sichtweise auf das Schreinergewerbe.
Ernesto Wieland ist Geschäftsführer der Ernst Wieland AG in Zürich.
«Es ist nicht einfach, die guten Leute zu bekommen»
Ernesto Wieland, ist Schreiner heutzutage noch der Traumberuf junger Leute?
Ernesto Wieland: Ob es ein Traumberuf ist oder nicht, weiss ich nicht. Aber er ist nach wie vor sehr gefragt. Die Möglichkeiten, die sich einem jungen Berufsmann oder einer jungen Berufsfrau nach der Schreinerlehre eröffnen, sind ja auch ziemlich breit; man kann sich im Schreinerberuf mit seinem breit gefächerten Weiterbildungsprogramm zum Spezialisten ausbilden oder eine Zusatzausbildung in diversen Richtungen absolvieren, beispielsweise im Bereich Innenausbauzeichner, Holztechniker, Gestalter und so weiter. Wir erhalten denn auch jährlich über zwanzig Bewerbungen für eine Lehrstelle.
Wie gehen Sie bei der Auswahl Ihrer Lehrlinge vor?
Wir laden jeweils fünf bis sechs Interessenten zu einem Gespräch ein. Viele von ihnen haben im Vorfeld den Schnuppertag für Schulabgänger beim Verband besucht, andere wissen von sich aus, dass sie Schreiner werden wollen. Im Anschluss daran können drei von ihnen eine Schnupperlehre absolvieren. Bei den Gesprächen sind übrigens immer auch die Eltern mit von der Partie. Das ist wichtig, um heraus zu spüren, ob die Jugendlichen die vollumfängliche Unterstützung ihrer Eltern haben. Nach der Schnupperlehre entscheiden wir uns für einen Lehrling. Hier dürfen sich auch die Mitarbeitenden und die anderen Lehrlinge äussern; schliesslich sind sie es, welche die jungen Interessenten im Alltag erlebt haben und künftig erleben werden.
Was sind die wichtigsten Auswahlkriterien, wenn es um einen neuen Lehrling geht?
Nebst einer gesunden Portion Intelligenz und dem grundlegenden Interesse am Beruf natürlich der Durchhaltewillen und das Engagement: Die jungen Leute sollen mit offenen Augen durch die Welt gehen, aufmerksam sein, Abläufe in unserem Betrieb richtig einschätzen und umsetzen können, und sie sollen Probleme selbständig angehen, diese also nicht einfach weiter delegieren.
Das ist ein ganzer Katalog an Voraussetzungen. Werden diese in der Regel von Ihren Bewerbern erfüllt?
Da spreche ich wohl einer Vielzahl meiner Kollegen aus der Seele, wenn ich sage, dass es heutzutage nicht wirklich einfach ist, die guten Leute zu bekommen. Intelligenz, Disziplin und der Wille, etwas Neues von Grund auf zu erlernen, das ist nicht jedem und jeder automatisch gegeben. Da spielt das Umfeld eine wesentliche Rolle und die Ablenkung; heute gibt es doch schon in ganz jungen Jahren unzählige Möglichkeiten, sich zu verzetteln, anstatt sich auf etwas richtig zu konzentrieren und das konsequent durchzuziehen.
Sie als «alter Hase» haben den Vergleich – wie hat sich die Lehre in den letzten Jahren verändert, wo sind die Anforderungen gestiegen?
Tatsächlich, in den 41 Jahren, in denen ich nun als Schreiner tätig bin, ist einiges gegangen. Maschinen, Materialien, Arbeitsabläufe – Lehrlinge müssen in immer mehr Bereichen auf dem Laufenden sein, die Ausbildung wird stetig umfassender und der Zeitdruck nimmt zu. Auf der anderen Seite ist die Betreuung der Auszubildenden in den Betrieben viel intensiver geworden. Man muss schon sehen: Lehrlinge auszubilden kostet viel Zeit. Wir beschäftigen gut 35 Personen, davon sind fünf Lehrlinge. Da braucht es klare Strukturen. Seit zwei Jahren haben wir deshalb einen Lehrlingsausbildner, der wöchentlich mindestens sechs Stunden explizit für die Auszubildenden da ist, streng genommen also dem produktiven Prozess entzogen wird. Trotzdem lohnt sich eine solche Lösung.
Inwiefern lohnt es sich?
Betrieb und Lehrling haben ja beide das gleiche Ziel: Den erfolgreichen Lehrabschluss. Auf dem Weg dorthin braucht es eine führende Hand. Das ist heute, mit der angesprochenen Ablenkung, noch viel wichtiger als früher. Diese führende Hand gehört häufig dem Chef – oder in einem grösseren Betrieb eben dem Lehrlingsausbildner.
Welches ist für Sie als Chef eines Schreinerei-Betriebs die grösste Freude im Zusammenhang mit der Ausbildung junger Berufsleute?
Wenn sie ihre Abschlussprüfung erfolgreich bestehen natürlich. Und wenn sie nach der «Stifti» bei uns weiterarbeiten oder irgendwann zu uns zurückkehren, dann wissen wir, dass wir vieles richtig gemacht haben. Wir haben Mitarbeiter, die auch zwanzig und mehr Jahre nach der Lehre noch bei uns arbeiten.