Besuch bei der Rothenbühler AG in Zollbrück
Eiche ist Jürg Rothenbühlers Lieblingsholz. Besonders das mit diesem speziellen, rauen Charakter aus dem Emmental. Hier ist Rothenbühler aufgewachsen. Hier hat er seine Schreinerei aufgebaut. Wie so viele andere um ihn herum. Wir sprechen mit ihm über Konkurrenzdruck, Marketing und sein auffälligstes Projekt: ein Haus auf Stelzen.
Die Schreinerei Forster AG, die Kühni AG, Probst Holzbau… Wenn man mit dem Bus von Burgdorf Richtung Zollbrück fährt und aus dem Fenster schaut, reiht sich eine Schreinerei an die nächste. Fällt uns das nur auf, weil auch wir eine solche – die Rothenbühler AG – als Ziel haben und unbewusst darauf achten? Oder ist Ihre Konkurrenz wirklich so gross, Herr Rothenbühler? «Ihr Eindruck stimmt. Tatsächlich beschäftigen sich hier viele Unternehmen mit Holz. Das hat zuerst einmal einen ganz banalen Grund: Wir sind umgeben von Wald. Daher gibt es hier im Emmental naturgemäss viele Schreinereien. Aber auch geschichtliche Gründe spielen eine Rolle. Früher gab es in der Region viele Wagnereien. Aus diesen entwickelten sich Schreinereien, die dann von Generation zu Generation weitergegeben wurden.» Und wie gehen Sie mit so viel Konkurrenz um? «Man arrangiert sich. Ich sage immer: Wir im Emmental reden miteinander. Und wir kooperieren auch, wenn es sich bei einem Projekt anbietet.»
Sich arrangieren ist das eine – sich positionieren das andere. Jürg Rothenbühler ist die Präsentation seines Unternehmens wichtig. Positionierung, Corporate Identity, USP – er kennt nicht nur die Fachbegriffe der Schreiner, sondern auch die der Werber. Die Idee zum neuen Logo kam von ihm. Genauso wie der Slogan «Us Lideschaft gits Geniesser», der die Firmen-Shirts und -jacken schmückt. «Ich bin Schreiner, verstehe mich aber vor allem als Unternehmer», sagt Jürg Rothenbühler. «Seit 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Marketing unserer Firma.»
Vier Jahre vorher hat er das Unternehmen gegründet. In der Garage des elterlichen Bauernhofes. Was an sich schon eine recht werbetaugliche Geschichte ist – erinnert sie doch an die grossen Marken wie Apple und Google. Von Schreinereien hat man das so noch nicht gehört; aus Rüderswil im Emmental schon gar nicht. Rothenbühlers Schreinerei-Start-up wuchs schnell. Nach sechs Monaten zügelte der Gründer in die etwas grössere Scheune nebenan und 1999 in sein erstes eigenes Firmengebäude in Zollbrück.
Von Anfang an dabei: Bruno Kiener, schon damals Aussendienstmitarbeiter bei OPO Oeschger. «Ich besuchte Jürg 1995 in seiner Garage und überzeugte ihn von unseren Produkten. Über die Jahre entwickelte sich daraus eine intensive und sehr herzliche Zusammenarbeit.» Etwa zweimal im Monat kommt Bruno Kiener in der Dorfstrasse 19 in Zollbrück vorbei. Dann besprechen die beiden neue Projekte oder interessante Produkte. «Ich weiss eigentlich immer, was gerade läuft», sagt Kiener. «Dieser Austausch ist mir wichtig. Zum einen, weil ich Jürg so optimal unterstützen kann. Zum anderen, weil es meinen Job noch interessanter macht.»
Zusammen haben sie die Veränderungen in der Baubranche beobachtet und gemeistert. Zum Beispiel die zu mehr Spezialisierung. «Heutzutage ist jeder Fachmann für etwas ganz Bestimmtes», sagt Jürg Rothenbühler dazu. «Die einen machen nur Küchen, die anderen nur Türen und wieder andere lediglich die Montage. Wir sind breiter aufgestellt und übernehmen für Kunden, die das wünschen, von der Planung ihrer Inneneinrichtung über den Einkauf bis zur Montage alles. Da OPO Oeschger genauso breit aufgestellt ist, ist es für uns der perfekte Partner.»Â
Zu den Kunden der Rothenbühler AG gehören Unternehmen der öffentlichen Hand wie Alterszentren, Spitäler und Pflegeheime. Aber auch Privatleute kommen mit ihren Umbauprojekten zu Jürg Rothenbühler. «Im Privatkundenbereich machen wir alles selber. Da sind wir top, quasi Migros Sélection. Aber gerade für grosse öffentliche Projekte müssen wir auch preiswertere Lösungen anbieten. Und das tun wir.»
Der Kunde ist misstrauischer geworden. Auch das beobachtet Jürg Rothenbühler seit einiger Zeit. «Durch das Internet sind viele informierter oder fühlen sich zumindest so», erklärt er. «Früher hat man seinem Schreiner vertraut. Heute wittert man hinter allem versteckte Kosten.» Was er dagegen tut? «Unser Ziel ist es immer, die Kunden bereits in der Planungsphase zu betreuen. So können wir ihnen von Anfang an aufzeigen, wo welche Kosten anfallen. Transparenz und Ehrlichkeit, das sind unsere Mittel.»
Jedes Jahr im Januar trifft sich Jürg Rothenbühler mit leitenden Mitarbeitenden seiner Schreinerei zur Strategiesitzung. Hier besprechen sie, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll, schrauben am Marketing oder suchen – wie vergangenes Jahr – nach neuen Produktideen. «Irgendwann schrieb jemand Baumhaus aufs Flipchart», erinnert sich Jürg Rothenbühler. «Wir wollten die Idee schon verwerfen. Doch zum Glück haben wir das nicht getan. Wir haben das Baumhaus dann für die Gewerbeausstellung im Mai gebaut und es war ein voller Erfolg! Jeder wollte mal rein. Das Interesse war riesig.»
Der Aufwand allerdings auch. «Drei bis vier Wochen intensive Arbeit hat der Bau in Anspruch genommen. Die Nerven lagen mitunter blank», berichtet Jürg Rothenbühler. «Das Haus ist ja rund. Wir mussten das Holz also dämpfen. Dadurch entstand allerdings eine Spannung, die auf die Tür drückte, welche sich dadurch nicht mehr schliessen liess. Und auch das Aufnageln der Holzschindeln war schwieriger als erwartet.»Â
Doch der Erfolg machte alle Strapazen vergessen. Inzwischen hat die Rothenbühler AG sogar ein zweites Baumhaus gebaut. Auftraggeber war das Hotel Bären in Ranflüh, wo Hotelgäste ihre Sommernächte nun auch im Freien geniessen können.
Der Prototyp steht am Waldrand oberhalb von Jürg Rothenbühlers Bauernhaus. Wir machen uns auf den Weg zu einer Besichtigung. Im Auto überqueren wir die Emme und fahren hinauf Richtung Rüderswil. Hier reiht sich ein herrschaftliches Bauernhaus ans andere. «70 Prozent der Familien gehören zu unseren Kunden», sagt Jürg Rothenbühler nicht ohne Stolz. «Auch die Tür vom Gemeindehaus kommt von uns.» Langsam, aber sicher lassen wir alle Häuser hinter uns. Das von Jürg Rothenbühler liegt ganz oben am Berg.Â
Dahinter nur noch Wiese und Wald. Und davor: 30 Galloway-Rinder. Bevor er Schreiner wurde, schloss Jürg Rothenbühler eine Ausbildung zum Landwirt ab. Zumindest in seiner Freizeit ist er seinem ersten Beruf treu geblieben. Seit fünf Jahren hält er die für ihre Widerstandsfähigkeit bekannte Rinderrasse aus Schottland und verkauft das Fleisch an umliegende Restaurants wie das Hotel Moosegg.
«Ich bin ein Bauernsohn», erklärt er. «Ich bin es von klein auf gewohnt zu arbeiten. Deshalb habe ich mich auch selbständig gemacht. Ich will gestalten – und gewisse Freiheiten haben. Das kann ich in meinem Unternehmen – und hier oben auf meinem Hof.» Das prägnanteste Beispiel seines Gestaltungswillens steht nun vor uns: ein bienenstockförmiges Holzhaus auf Stelzen. Dieses Werk ist mehr als nur der Blickfang auf einer Messe. Es ist Marketing und Schreinerhandwerk in Höchstform.