In der Serie “Menschen&Macher» äussern Fachleute aus der Schweiz ihre ganz persönliche Sichtweise auf das Schreinergewerbe.

Patrick_Ettlin

Patrik Ettlin ist Chefredaktor der SchreinerZeitung, welche im bereits 125. Jahrgang jeweils am Donnerstag erscheint. www.schreinerzeitung.ch

 

«Das grosse Plus der Schreinerausbildung ist auch ihr grösster Nachteil»

Patrik Ettlin, welche Themen sorgen bei den Schreinern aktuell für rote Köpfe?

Patrik Ettlin*: Da kommen mir spontan drei in den Sinn. Zum einen der Dauerbrenner: Der ganze administrative Aufwand, der mit dem «Geschäften», dem Führen eines Unternehmens, verknüpft ist. Zum anderen liefert die Konkurrenzsituation mit ausländischen Betrieben immer wieder Stoff für hitzige Diskussionen, auch in der SchreinerZeitung. Dies vor allem im Grenzgebiet. Und dann ist da natürlich die aktuelle Auftragslage, die – salopp ausgedrückt – Segen und Fluch zugleich ist.

Wie sieht denn die Auftragslage aus?

Tiptop! Das Baugewerbe boomt – und davon profitieren die holzverarbeitenden Betriebe, die Schreiner, Fensterbauer, Küchenbauer, die Innenausbauer. Die Auftragsbücher sind voll, ein abruptes Ende des Booms ist momentan nicht absehbar.

Ein Grund zum jubeln, eigentlich.

Sie sagen es. Aber der Schreiner jubelt nicht gerne, das merken wir im Zuge unserer Berichterstattung immer wieder. Er verliert nicht so rasch die Bodenhaftung und konzentriert sich stattdessen lieber auf seine Arbeit. Manchmal ist diese Zurückhaltung auch angebracht. Denn wo viel Sonne ist, da ist bekanntlich auch Schatten. Und den erleben die Betriebe praktisch Tag für Tag.

In welcher Form?

Es fehlt an allen Ecken und Enden an guten Mitarbeitern! Und jetzt stellen Sie sich mal vor, Sie haben eine Schreinerei, Sie haben die Aufträge – aber es fehlen Ihnen die Leute, die diese Arbeiten sauber und kompetent ausführen können. Dann kommt auch bei guter Auslastung logischerweise nur bedingt Freude auf.

Worin gründet dieser Missstand Ihrer Ansicht nach?

Etwas plakativ ausgedrückt vor allem darin, dass es so viele Aufträge gibt! Aber eigentlich ist das grosse Plus der Schreinerausbildung eben auch ihr grösster Nachteil: Die Vielseitigkeit. Ein Schreiner bringt für so viele Berufe die perfekte Voraussetzung mit, da springt eben schon mal der eine oder andere nach der Lehre oder ein paar Jahre später ab. Denken Sie nur an all die Polizeibeamten oder Schulhausabwarte, die ursprünglich mal Schreiner gewesen sind. Und die Möglichkeiten, sich anderweitig weiterzubilden, sind ja auch mannigfaltig, so etwa im Designbereich. Das alles führt dazu, dass es sowohl in der Werkstatt, draussen auf der Baustelle als auch im Kader, an Schreinern fehlt, die einfach eines gut können: Schreinern.

Das bedeutet, dass die Betriebe viel Aufwand, auch im monetären Bereich, aufwenden müssen, um die guten Leute zu finden oder sie langfristig an sich zu binden.

Natürlich, ein Chef tut gut daran, wenn er einige gute Mitarbeiter «pflegt», die quasi die Stammbelegschaft bilden. Sie sind ja auch die Visitenkarte des Unternehmens. Das muss ihm etwas wert sein. Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass Schreiner häufig vom Land kommen und wie schon vorher angesprochen, eine gewisse Bodenständigkeit pflegen. Da zählt zum Beispiel auch, dass man über Mittag zum Essen nach Hause fahren kann oder eine gewisse Konstanz in sein Arbeitsleben bringt. Kurzlebigkeit, würde ich mal salopp sagen, ist nicht des Schreiners Ding!

Wie erleben Sie als Beobachter der Branche die Problematik der viel zitierten «Preisspirale»?

Die Kunden schauen ständig auf den Preis, das ist schon klar. Aber die Punkte Qualität, Flexibilität oder Verfügbarkeit fallen genauso ins Gewicht. Was man sicher sagen kann: Umbauten sind für den Schreiner grundsätzlich rentabler als Neubauten. Hier sind häufig individuelle Lösungen gefragt, für welche die Bauherren auch Geld auszugeben bereit sind. Ein Einfamilienhaus, dessen Bewohner nach dreissig Jahren eine Gesamtsanierung realisieren wollen, das ist so etwas wie ein «Sechser im Lotto» für einen Schreiner. Da braucht es das individuelle Möbel, den Massschrank im Dachraum, die Gesamtberatung – da kann der Schreiner punkten. Zudem ist das persönliche Netzwerk sehr wichtig, das will vom Schreiner gepflegt sein. Dahingehend gibt es ja viele gute Beispiele: Betriebe, die in einem Ort fest verankert sind und laufend Aufträge aus der Nachbarschaft erhalten. Und zu guter Letzt spielt es wohl auch eine grosse Rolle, ob ich in einem gesättigten Markt tätig bin oder ob ich mich mit meinem Unternehmen in einer Nische ansiedeln konnte, wo der Preis sowieso häufig zweitrangig ist.

Wo siedeln Sie als Chefredaktor eigentlich die Hauptaufgabe der SchreinerZeitung an?

Wir wirken in gewissem Sinne als «Spiegel» für die Branche und jeden einzelnen Schreiner. Wir sind sicher kritisch in der Berichterstattung, hauptsächlich aber wollen wir die Berufsleute draussen auf der Baustelle, in der Werkstätte und im Büro immer wieder motivieren. Denn Schreiner, das ist ein toller Beruf – und wir haben viele tolle Schreiner in unserem Land.